Beruf und Berufung – passt das immer zusammen? War das gleichermaßen möglich zwischen den Jahren 1950 und 2010? Oder kann ein aus Not gewählter Beruf später zur Berufung werden? Fragen, die offenbar alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer berührten, die am 10. Juni ins KörberHaus kamen zur Vorstellung des Buches „45 Berufe geträumt, gelebt, verwirklicht“. Durch eine Anzeige neugierig gemacht, bildeten vor einem Jahr fünf Frauen und vier Männer unter der Leitung von Pastorin Angelika Schmidt ein Team, das in oft vielstündigen Interviews die Berufsbiographien von Menschen aus Bergedorf erfragten. Dabei sei schnell klar geworden, „wie abhängig wir in unseren Möglichkeiten und Entscheidungen sind von dem, was zu dieser Zeit gerade gesellschaftlich und wirtschaftlich in unserem Land angesagt ist“, so Pastorin Schmidt.

Dass bei dieser Buchvorstellung vier der Frauen und Männer die kurz gefassten Geschichten aus dem eigenen Leben oder aus dem Leben der Interviewten vorlasen, machte sie besonders lebendig. Wenn der Kampf um Anerkennung in einem jahrzehntelang von Männern dominierten Berufsalltag, die lange vergebliche Arbeitssuche von Kriegsheimkehrern, der große Aufbruch Jugendlicher seit den 70er Jahren oder die Weltoffenheit der Enkel-Generation geschildert wurde, fühlten sich wohl alle Zuhörenden an eigene Lebensabschnitte erinnert. Ihre kurzen Beiträge waren eine weitere Bereicherung dieses Abends. Erstaunlich, wie positiv der Blick auf Vergangenheit und Zukunft bei allen Interviewten ausfällt. Erstaunlich auch, wie sehr sich die Vorstellung von einem erfüllten Berufsleben mit den Jahrzehnten geändert hat. Galt es in der Nachkriegszeit bis in die 70er Jahre als Zeichen von Treue und Verlässlichkeit, wenn man möglichst von der Lehrzeit bis zur Rente bei ein und demselben Arbeitgeber verbrachte, so wird heute ein häufiger Wechsel als Vielseitigkeit begrüßt.

Wer beginnt, in diesem Buch zu lesen, kann es so schnell nicht wieder aus der Hand legen. „Wir waren manchmal überwältigt von der Fülle der Geschichten und sehr berührt von dem, was wir gehört haben“, so Pastorin Angelika Schmidt. Ihr Dank gilt am Ende nicht nur den Interviewten, dem Biografieteam und den Schülerinnen und Schülern der GSB, die mit ihren Zeichnungen die Lebensläufe illustrierten, sondern vor allem auch der SHIP Stiftung für Engagement in Bergedorf und dem Kirchspiel Bergedorf, die das Projekt finanziell ermöglichten. Dessen Initiatorin gibt zum Schluss noch einen weiteren Anstoß: „Vielleicht entwickeln Sie beim Lesen Interesse, Ihre eigene Berufsgeschichte zu erzählen und aufzuschreiben. Dann wäre dieses Buch ein Anstoß zur Biografiearbeit über unser Projekt hinaus.“

Zur Info: Das Buch „45 Berufe geträumt, gelebt, verwirklicht" – Berufsbiografienvon Menschen aus Hamburg-Bergedorf ist für 9 € im Hasse-Haus bei der Bergedorf Info oder bei Pastorin Angelika Schmidt zu erhalten.

Autorin: Boike Jacobs vom bergedorf.blog